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Als Unsui und Shin-Buddhist einmal um die Welt: Fazit

Kurz-Interview

Meik, als deutscher Zen-Buddhist, der auch den Nenbutsu-Weg geht, warst du ein Jahr lang auf Weltreise. Was hat sich – kontrastiert durch die Eindrücke – bei deinem persönlichen Weg verstärkt? Was hat sich verändert wie du dich als „deutscher Buddhist“ verstehst?

Als „deutscher Buddhist“ habe ich mich eigentlich nie verstanden, eher als „buddhistischer Konvertit aus dem Westen“. Ich denke dieser Aspekt ist ziemlich ähnlich, egal ob man aus Deutschland oder Europa, aus den Amerikas, Australien oder auch Afrika kommt. Wir alle stammen aus Kulturen, in welchen der Buddhismus noch gar nicht richtig Wurzeln schlagen konnte. Unsere Eltern und Verwandte sind selbst zumeist keine Buddhisten und auch der Freundes- und Bekanntenkreis größtenteils nicht. Das Buddhist-Sein ist eine persönliche Entscheidung und verlangt sogar insoweit Eigeninitiative – das ist wohl der Unterschied zu Buddhisten, welche in Kulturen und Familien hineingeboren werden, in denen der Buddhismus verwurzelt ist.

Bei vielen meiner Begegnungen habe ich gemerkt, dass man als westlicher Konvertit nicht unbedingt sogleich als „Glaubensbruder“ angesehen und akzeptiert wird. Es scheint viele westliche Traveller zu geben, die sich in Gesprächen selbst als „Buddhisten“ bezeichnen, die von den einheimischen Buddhisten aber nicht als solche angesehen werden. Erst wenn man klarstellt, dass man einen Lehrer hat, mit einem Tempel verbunden ist, öffentlich Zuflucht genommen hat und gegebenefalls auch Verpflichtungen eingegangen ist, bricht quasi das Eis und man wird auch in Punkto Buddhismus ernst genommen.

Bevor ich 2010 in unserem Zen-Tempel ordiniert wurde, empfand ich mich selbst auch schon als Buddhist. Aber es sind eben doch die offiziellen Zeremonien, die Anlässe und die Verpflichtungen, die man eingeht, die einen auch für andere zum Buddhisten machen. Ein eigenpersönliches „inneres“ Bekenntnis bleiben öffentlich eben genau das – etwas Unbestimmtes, Unverbindliches. Ich denke es kommt schon sehr auf dieses auch nach außen wirkende offizielle Bekenntnis an!

Wie hat sich dein Blick auf den globalen Buddhismus verändert durch die vielen Begegnungen?

Ich glaube „den globalen Buddhismus“ gibt es gar nicht. Es gibt quasi eher „die Welt der vielen Buddhismen“. In einigen Ländern wie etwa Thailand, Taiwan oder Ladakh im Himalaya, gibt es jeweils eine vorherrschende Tradition, welche als landestypischer Mainstream angesehen werden kann. In Thailand ist das natürlich der Theravada, auf Taiwan der han-chinesische Mahayana-Buddhismus und in Ladakh der tibetische Buddhismus mit Drukpa Kagyü- und Gelug-Schule. In anderen Ländern – insbesondere in Japan aber auch in Indien, Nepal, Malaysia und Indonesien – gibt es viele verschiedene Traditionen, keine vorherrschende, so dass man dort kaum von Einheitlichkeit sprechen könnte.

Uns alle eint das Vertrauen in den Buddha und seine Lehre, und irgendwie verstehen sich viele Buddhisten auch als Teil der weltweiten buddhistischen Sangha. Aber schon bezogen auf die Authentizität von Buddhas Lehre und auch auf die Definition des Begriffs „Sangha“ gibt es sehr unterschiedliche Sichtweisen.

Bei meinen Begegnungen habe ich zuallererst feststellen müssen, dass „Begegnungen“ mit Sprachkenntnissen stehen und fallen. Da ich nur fließend Englisch und Deutsch spreche, endete die Begegnung häufig ziemlich schnell, wenn das Gegenüber kein Englisch sprach oder – aus Scham Fehler zu machen – nicht sprechen wollte. So waren dann die wirklich „echten“ Begegnungen während meines Pilgerjahres gar nicht so zahlreich, wie ich es mir gewünscht oder erhofft hätte. Aber ich kann sagen, dass dabei jeder meiner Gesprächspartner immer eine sehr individuelle Geschichte zu erzählen hatte. Und viele von denen waren dann auch – obwohl sie selbst aus buddhistischen Ländern stammten, in irgendeiner Form selbst Konvertiten, also echte „Überzeugungstäter“. Vielleicht macht das den Unterschied? Es ist dieses bewusste Entscheiden, was den überzeugten Wegübenden von den, ich nenne sie mal „eingeborene Volks- und Feiertagsbuddhisten“, unterscheidet und interessant macht.

Was für Chancen siehst du für den buddhistischen Weg in seinen verschiedenen Ausprägungen in Deutschland?

Ich denke im Westen steht und fällt es zunächst jeweils mit dem persönlichen Engagement des Einzelnen, oft über die Jahrzehnte hinweg. Dann ist die Frage, inwiefern wir es fertigbringen, den Dharma im Westen Wurzeln schlagen zu lassen: Werden wir weiterhin ein Flickenteppich der verschiedenen Traditionen aus verschiedenen asiatischen Gegenden und Kulturen sein und versuchen, hierzulande in Abhängigkeit vom Ursprungsland „japanischen Buddhismus“, „tibetischen Buddhismus“ oder „thailändischen Buddhismus“ zu praktizieren? Oder werden wir die verschiedenen Einflüsse, Überlieferungen, Übertragungen und Quellen zu etwas eigenem, einer eigenen unabhängigen Tradition fortführen? Ich denke diese Fragen kann man nicht leichthin beantworten, oder die Entwicklungen gar forcieren. Das wird sich über Jahrzehnte fortentwickeln (oder auch nicht).

Was war ein besonderes Highlight für dich auf der Reise?

„Das“ besondere Highlight kann ich gar nicht festlegen. Die Pilgerreise auf den Spuren Buddhas und der Dharma-Vorfahren war für mich quasi ein Gesamt-Highlight! Ob das nun die Reise auf Buddha Shakyamuni’s Spuren durch Bihar und Uttar Pradesh war, auf Dōgen’s und Dengyō’s Spuren im Osten Chinas, zu den Wirkungsstätten meiner Zen-Ahnen in Japan oder zu den mit Hōnen, Shinran und Ippen in Verbindung stehenden Pilgerstätten – all das gehörte für mich irgendwie zusammen und fügte sich auch rückblickend in die Gesamt-Pilgerreise ein. Schöne Erfahrungen waren natürlich auch die Klosteraufenthalte in Malaysia, Indien und Japan, und auch die Begegnungen, die damit verbunden waren.

Fazit

Wenn ich auf das vergangene Jahr 2024, mein zweites Sabbatjahr und mein erstes Jahr als Zen-Shukke, zurückblicke, so tue ich dies voller Dankbarkeit und mit ein bisschen Wehmut. Vieles, was ich mir 2024 anschauen und was ich erleben wollte, habe ich mir anschauen können und auch erlebt. Nicht alles, was auf meinen To-Do- und To-Visit-Listen stand, konnte ich „abarbeiten“, aber das Allermeiste schon.

Die Highlights 2024 waren natürlich insbesondere die Besuche von diversen buddhistischen Pilgerzielen, hauptsächlich in Indien, China und Japan. Auch die Kloster-Aufenthalte waren Erfahrungen, die ich keinesfalls missen möchte. Und selbst an so ätzenden Erlebnissen wie den Hotel- und Taxi-Abzocken in Delhi, den gesperrten Kreditkarten und den miesen Inlandsflügen in Kanada wächst man wohl. Nicht alles verläuft immer nach Plan und manchmal ist man auch nicht so willkommen, wie man es sich eigentlich ausmalt (zum Beispiel im Kloster Fo Guang Shan auf Taiwan). Da wird man dann ent-täuscht. Das ist aber auch nicht verkehrt! Man sollte allem und jedem dankbar sein, wenn es einem einen Teil seiner Illusionen abnimmt! Denn nur so kann man offenen Herzens und unter Beibehaltung seines Anfänger-Geistes durchs Leben ziehen und sich weiterhin ein Staunen angesichts der menschlichen Vielfalt und der Wunder der Welt bewahren.

Ein drittes Sabbatjahr wird es wohl nicht geben, schon gar nicht als weitere vollständige Jahres-Auszeit während des aktiven Dienstes. Eine solche Auszeit für ein paar wenige Monate, um nochmal ein bisschen länger „on the Road again“ zu sein – das will ich ebenso wenig ausschließen wie ein Sabbatjahr zum Abschluss des Berufslebens, um ein Jahr vorher in Pension gehen zu können. Aber angedacht ist da aktuell nichts. Jetzt heißt es erstmal wieder sich so richtig im Amt und auch ansonsten daheim einzurichten.

Und auch das Zen Shukke-Sein, während man über 41 Stunden in der Woche, von Montag bis Freitag, einer ganz normalen beruflichen Tätigkeit nachzugehen hat, ist ja auch irgendwie ein Drahtseilakt, es passt eigentlich nicht zusammen.

Konnte ich mich letztes Jahr noch als Unsui bezeichnen („Wolken und Wasser“, „Ziehende Regenwolke“, „Shukke auf Wanderschaft“), so wäre es jetzt wohl eher Nyūdō bzw. Nyūdō-Shukke. Ein Nyūdō, wörtlich: „Jemand, der den (Buddha-)Weg betreten hat“, war im alten Japan eine Person, die zwar die buddhistischen Gelübde als Geistlicher abgelegt hatte, also kein Laie mehr war, die aber weder Priester noch Mönch oder Novize war und auch nicht unbedingt im Kloster lebte. Viele japanische Kaiser widmeten nach ihrer Abdankung einen ihrer Paläste oder eine ihrer Villen in einen Tempel oder eine Klause um und zogen sich dann als Nyūdō dorthin zurück, wobei sie auch als solche oft noch Einfluss auf die Politik nahmen. Bekannte Beispiele sind hier der Daigo-Tennō (884-930), der als Nyūdō eine Klause bezog, die dem Shingon Shū Kloster Daigōji angegliedert wurde, oder auch Hanazono-Tennō (1297-1348) der sich als Nyūdō-Shukke in seinen Zweit-Palast im Norden von Kyoto zurückzog und diesen dann zusammen mit seinem Zen-Lehrer Kanzan Egen Zenji ins Kloster Myōshinji umwandelte. Auch die Haiku-Dichter Matsuo Bashō oder Kobayashi Issa könnte man hier aufzählen. Ebenso vielleicht auch Shinran Shonin, der nach seinem Austritt aus dem Tendai Shū-Hauptkloster Enryakuji von sich sagte, er sei „weder Mönch noch Laie“. Der Ausspruch passt auch ganz gut zu mir, wie ich finde. Ich bin jetzt (vorerst) kein Unsui mehr (mangels aktueller Wander- bzw. Pilgerschaft), aber durch meine Ordination zum Shukke bin ich auch kein Laie mehr.

Letztlich sind solche Bezeichnungen aber auch nur Schubladen, in denen man sich einzuordnen versucht. Man schaut, ob man ein historisches Beispiel oder eine Entsprechung findet, für die eigene Situation, aber tatsächlich ist das Leben immer individuell und es gibt nie etwas gänzlich Vergleichbares. C’est la vie! – und das ist schon okay!

Es geht jedenfalls weiter. Im Alltag. So wie es auch Jōshū und Rinzai stets sagten: „Das alltägliche Leben selbst ist der Weg!“. Also mal schauen, wie er sich vor einem ausbreitet.

Friedenspagode der Nipponzan Myohoji-ha in Leh (Ladakh/Indien)
Sanctuary of Truth (Pattaya, Thailand)
Horyuji bei Nara (Honshu/Japan)
Auf dem Caminho Portugues de la Costa.

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