Als Unsui und Shin-Buddhist einmal um die Welt: Spuren des japanischen Buddhismus auf Taiwan
von Meik Nörling
Von Katmandu aus flog ich via Bangkok nach Taiwan. Die ersten Übernachtungen auf der Insel, welche heute die Republik China darstellt, hatte ich in der Hauptstadt Taipeh. Ich hatte mein Hotel unweit der Überbleibsel des Taipei-Hongwanji gebucht – vom einstigen Obertempel unserer Jodo Shinshu Hongwanji-ha auf Taiwan, das von 1895 bis 1945 japanische Kolonie war, stehen nach seiner Nutzung ab 1945 als Kaserne nur noch der Glockenturm und die Wegebefestigungen, in den 1970ern ist er bei einem Feuer niedergebrannt. Dem Obertempel der Jodo Shinshu Othani-ha hier in Taipeh, dessen einstiger Grund auch nicht weit entfernt liegt, erging es nicht besser: Ab 1945 wurde das in indischem Stil errichtete Prunkgebäude unserer Schwesterschule von den Kumintang als Foltergefängnis für politische Gegner genutzt und 1970 dann niedergerissen um einer Shopping-Mall mit Kino zu weichen. Man sagt, dass es in dem Kino noch heute spukt und begründet das mit den Seelen „verschwundener“ Gefangener, die nicht zur Ruhe kommen. Auch in den erhaltenen Tempeln rund um das Hotel ist das japanische Erbe der Kolonialzeit noch ab und an sichtbar – obwohl sie nun alle zum han-chinesischen Mahayana-Buddhismus gehören, der Lehren und Übungen wie Nienfo (Nenbutsu) und Chan (Zen) beinhaltet. Im ehemaligen Shingon Shu-Tempel Taipei Tianhu Si gibt es noch einen Altar für Kobo Daishi Kukai, vor dem ehemaligen Nichiren Shu-Tempel Nankai Shan Fahua Si steht noch ein großer Stein mit eingravierten Daimoku. Die ehemaligen Tempel und Klöster der Rinzai Shu pflegen zwar immer noch das Zen- bzw. Chan-Erbe von Meister Linji, jetzt aber wieder als vollordinierte Bhikkhus der chinesischen Tradition. Der einstige Soto Shu-Tempel Donghe Chan Si wird zwar auch von Ordinierten der chinesischen Tradition geführt, allerdings legen diese Wert darauf, dass der Tempel sowohl mit der Caodong-zong (chinesische Mutterschule der Soto Shu) und dessen Hauptkloster Tiantong Si als auch mit Eiheiji und Sojiji in Japan verbunden ist und somit noch immer auch japanischer Zweigtempel des Soto-Zen.
Von Taipeh aus reiste ich ganz nach Süden, in die Stadt Kaohsiung. Dort wanderte ich um den Zuoying-Lotus-Teich, der eigentlich ein See ist und besuchte die zahlreichen an dem Teich errichteten Tempel, buddhistische wie auch taoistische, und auch der große Konfuzius-Tempel von Kaohsiung wurde direkt hier errichtet. Nahe Kaohsiung liegt in dem Städtchen Dashu der Klosterberg Fo Guang Shan mit dem gleichnamigen Kloster und einem riesigen buddhistischen Museumspark. Ich hatte dort per E-Mail angefragt, ob ich ein oder zwei Nächte dort verbringen könnte, um zu praktizieren und auch um mir alles genauer anzusehen. In der Mail hatte ich auch angegeben, dass ich deutscher Anhänger der Jodo Shinshu und Ordinierter des japanischen Soto-Zen bin. Eine Rückmeldung kam prompt und sogar auf Deutsch, aber die Rückmeldung bestand im Wesentlichen aus der Frage, ob ich mit der vollständigen Garderobe eines japanischen Shukke reise oder in Zivil, „bei japanischen Ordinierten wüsste man das ja nie so genau!“. Wahrheitsgemäß antwortete ich, dass ich meine größe Robe (Okesa), das Gewand (Kolomo) und das Untergewand daheim im Dojo zurückgelassen habe und nur mit kleiner Robe (Rakusu) und Arbeitsanzug (Samu-e) reise, was auch mit meinem Zen-Lehrer so abgesprochen wurde. Das Kloster und der aus Österreich stammende Bhikkhu ließen mich dann einfach in der Luft hängen – ich bekam gar keine Rückmeldung mehr. Im Internet kann man an verschiedenen Stellen lesen, dass man in der Pilgerherberge des Klosters auf Anfrage ohne Probleme ein- oder zwei Nächte bleiben kann. Das gilt scheinbar nicht für ordinierte Anhänger des japanischen Buddhismus!? Ich besuchte das Kloster und den Buddha-Museumspark dann quasi auf eigene Faust wie viele andere Pilger und Touris auch – ohne dort zu übernachten. Beeindruckend ist das alles schon, aber nicht nur im positiven Sinne. Ich fragte mich nachher, ob so viel Prunk und Protz und solche Dimensionen denn sein müssen, und ob die Bhikkhus und Bhikkhunis, die ich haup
tsächlich bei Tätigkeiten als Pilgerführer oder beim Verkauf von Devotionalien beobachten konnte ernsthaft den Dharma praktizieren. Der Buddha-Museumspark verfügt sogar über ein eigenes Starbucks Café!
Von Kaohsiung aus fuhr ich wieder nach Norden, machte aber in der zweitgrößten Stadt Taichung halt. Auch hier ist das japanische Erbe noch präsent und es gibt sogar zwei aktive Tempel unserer Jodo Shinshu Hongwanji-ha, die ich dort besuchte. Trotz erheblicher Kommunikationsbarrieren gelang irgendwie doch in beiden Tempeln ein kleiner Austausch:
Der nördlich des Zentrums gelegene Guang Zhao Si hält seine Andachten bilingual, einmal in taiwanesischem Chinesisch aber auch in Japanisch. Der aktuelle Oberpriester Rev. Yixin hat früher im Tempel auch Meditation gelehrt und als ich vorbeischaute fand gerade ein Kaligraphie-Kurs statt, bei dem man die Möglichkeit hatte, einen Teil des Amida Sutra abzumalen.
Südlich liegt der Guang Ming Si. Als ich dort ankam, platzte ich in die Andacht zum Monatsersten – am ersten und fünfzehnten Tag des Monats halten sie vormittags eine längere Andacht, wie sie im han-chinesischen Mahayana-Buddhismus auf Taiwan üblich ist. Natürlich gibt es auch die für uns „klassischen“ Andachten mit Shoshinge, Junirai, Sambutsuge und Juseige, aber auch die werden hier in diesem Tempel ausschließlich im taiwanesischen Chinesisch vorgetragen, berichtete mir eine Laien-Anhängerin. Die Andacht, welcher ich beiwohnen durfte, wurde dann auch von zwei älteren Frauen durchgeführt, die zwar schwarze Kolomos trugen, aber darüber nur die Hangesa, welche man bei der Kikyoshiki verliehen bekommt.
Ein paar Tage später ging es dann von Flughafen Taoyuan weiter, in die Volksrepublik China …