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Als Buddhist auf dem Jakobsweg

von Meik Nörling

Den September verbringe ich größtenteils zuhause, direkt am ersten Oktober geht’s aber wieder los. Mein Ziel ist die Stadt Porto im Norden Portugals. Nachdem ich mir bei bescheidenem Wetter zwei Tage die Stadt angeschaut habe, mache ich mich zu Fuß auf nach Spanien – ich pilgere den Caminho Portugues! Das sind, je nach Weg (Hauptweg oder Küstenweg), zwischen 245 und 260 km. Die habe ich anfangs eigentlich auch vor, gänzlich zu Fuß zu gehen, die letzten 100 km auf jeden Fall, denn ohne die gibt’s die Pilger-Urkunde, die Compostela, nicht. Blasen an beiden Fußhacken und das schlechte Wetter machen mir aber zu schaffen. Tatsächlich regnet es jeden Tag, an einigen Tagen sogar durchgehend. Mein tägliches Pensum liegt bei ca. 20 km, oft ein oder zwei Kilometer mehr, manchmal auch knapp unter 20 km. Für 20 km brauche ich ca. vier Stunden. Wenn man bereits im Regen losgehen muss, dann ist das schon ziemlich mies, während ich es hingegen als nicht so tragisch empfinde, von den täglichen vier oder fünf Stunden Wanderung mal eine Stunde durch den Regen zu gehen.

Mein Weg führt mich zuerst ein paar Tage an der Küste entlang, bis zum Ort Esposende. Von dort aus nehme ich dann nach einem ganzen Regentag am nächsten Morgen den Bus nach Viana do Castelo und bleibe zwei Nächte in dieser schönen Küstenstadt, besuche dort auch das moderne Jesus-Heiligtum auf dem Monte Luzia. Auf dem Jakobsweg kommt man natürlich an zahlreichen christlichen Kirchen vorbei, und wenn die offen sind, dann geht man auch rein, denn dort gibt’s ja auch die begehrten Pilgerstempel (ebenso wie in Hotels, Herbergen, Cafés, Restaurants und Behörden). In den Kirchen zünde ich oft eine Kerze an, nehme Platz und vollziehe dann leise kleine Andachten. Wenn man sich in meine Nähe setzen würde, dann würde man Nenbutsu oder kurze Sutras hören – stören will ich damit natürlich niemanden. Ob Sankt Jakobus auch buddhistische Pilger auf „seinem“ Weg beschützt und unterstützt, weiß ich nicht – Amida-sama, Ojizo-sama und Kobo Daishi Kukai tun das aber bestimmt! Während des Aufenthalts in Viana wird eine Sturmwarnung rausgegeben und den Pilgern wird nahegelegt, am nächsten Tag lieber den ÖPNV zu nutzen. Tatsächlich sind Sturm und Regen bereits an meinem letzten Abend in Viana so stark, dass ich nicht mal zum japanischen Sushi-Restaurant komme, das sich nur 800 m vom Hotel entfernt im Hafen befindet. Stattdessen wird es erneut der Inder in der Altstadt, nur 500 m entfernt, wo ich völlig durchnässt ankomme – trotz Regenschirm. Am nächsten Tag fahre ich dann mit dem Zug zur Grenzstadt Valenca.

Dort liegt mein Hotel in der alten Festung und folglich starte ich am nächsten Tag den zweiten Abschnitt der Pilgerschaft, von der Fortaleza do Valenca in Portugal bis Santiago de Compostela in Galzien, 120 km in sechs Tagen, über die spanischen Städte Tui, Pontefedra, Caldas de Reis und Padron. Am Ziel angelangt gibt’s die Pilgerurkunde und anschließend eine spanisch-sprachigen Pilgermesse in der Kathedrale. Auf die Teilnahme an den deutsch-sprachigen Pilger-Gesprächskreisen verzichte ich – das sind christliche Erfahrungs-Austausche bei denen Theologen Vorschläge machen, wie man seinen Erfahrungen mit Gott, Jesus und Sankt Jakobus vom Pilgerweg quasi „in den Alltag rettet“. Dadurch, dass ich nicht in Pilger- und Jugendherbergen übernachtet hatte, sondern in Hotels und Pensionen – auch um morgens Zazen üben und Andacht halten zu können – gab es für mich keinen so intensiven Austausch mit anderen Pilgern, wie ich ihn noch von meinem Camino Frances 2016 kannte. Ein paar nette Unterhaltungen gab es unterwegs natürlich schon, wenn auch nicht so tiefgreifend und spirituell, sondern eher praktischer Natur.

In Santiago bleibe ich nur eine Nacht, dann geht es für den letzten Tag in Spanien zu einem Hotel in Flughafen-Nähe und vom Flughafen von Santiago fliege ich via Madrid zurück nach Düsseldorf. Die Bahnfahrt vom dortigen Flughafen zurück erweist sich nochmal als Ärgernis – wenn zu einer Fahrt, die eigentlich keine zwei Stunden dauert, mehr als zwei Stunden Verspätung hinzu kommen und man dadurch erst am nächsten Tag zuhause ankommt, dann ist das schon übel. Wenn es um Zugfahrten geht, sehnt man sich nach Japan, Malaysia oder Taiwan zurück!

Aber was sucht ein buddhistischer Ordinierter auf dem christlichen Jakobsweg? Tatsächlich hatte ich mir bei meinem ersten Jakobsweg, dem Camino-Frances 2016, durchaus spirituelle Erfahrungen erhofft, hatte darüber ja vorher bei Hape Kerkeling gelesen und seinen Bericht gedanklich mit einem (kleinen?) Kensho gleichgesetzt. Ähnliches durfte ich dann auch selbst ein- zweimal auf dem Camino Frances erfahren, aber anschließend kamen solche starken Momente dann nicht mehr beim Wandern auf verschiedenen Jakobswegen in Deutschland. Und so rechnete ich damit auch nicht beim jetzigen Caminho Portugues. Aber man kann beim Wandern wunderbar abschalten, weil der Tag einfach strukturiert ist, ähnlich wie bei einem Sesshin im Zen-Kloster, nur dass anstelle von Zazen gegangen wird, und auch das kann bekanntlich sehr meditativ sein! Die Jakobswege, die ganz Europa durchziehen, haben den Vorteil, dass sie durchbeschildert sind und an historisch, kulturell und religiösen Stätten vorbei führen – man kann also ganz ohne Handy-Navigation gehen und auch noch andere Interessen mit dem Wandern verbinden.

Porto gilt als Startpunkt des Caminho Portugues
Modernes Jesus-Heiligtum in Viana do Castelo
Am Ziel: Die Kathedrale von Santiago de Compostela

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