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Als Unsui und Shin-Buddhist einmal um die Welt: Thailand

von Meik Nörling

Den ganzen Februar über habe ich mich in Thailand aufgehalten und bin hauptsächlich in Begleitung meiner Freundin Ratri gereist, die ich hier bei meiner ersten Weltreise, Ende 2016, in einer Kneipe in Chiang Mai kennengelernt hatte, wo sie als Küchenhilfe einen Zweitjob hatte. In dieser Kneipe haben mein Cousin, der mich in Thailand begleitete und ich uns öfter mal ein Bierchen und ein Gläschen Whiskey gegönnt, so kam man ins Gespräch, tauscht Facebook-Daten aus und irgendwie sind Ratri und ich dann in Kontakt geblieben. Ich hatte sie Ende 2019 / Anfang 2020 nochmal in Chiang Mai besucht und wir waren zusammen für den Jahreswechsel nach Chiang Rai gereist und dann nach Hat Yai – als ich um den 10.01.2020 via Beijing nach Deutschland zurück flog machten in den Medien schon Berichte über eine seltsame Krankheit in der VR China die Runde. Ich hatte mich mit Ratri darauf verständigt, dass sie mich im Sommer 2020 in Deutschland besuchen könnte – COVID-mäßig konnten wir das erst im Sommer 2022 verwirklichen. Da Chiang Mai zu meinen Lieblingsorten in Thailand gehört, lag es nah, ihre dortige Wohnung quasi als Basis für Nordthailand zu nutzen, womit sie auch einverstanden war. Zwischenzeitlich ist sie selbstständig und betreibt mit einer Freundin einen Hostel-Betrieb in dem Backpacker-Städtchen Pai.

Wir starteten unsere Reise in Pattaya, wo ich mich auch mit Guido vom Angkor-Verlag traf – wir stehen seit längerem in E-Mail-Kontakt und hatten uns persönlich 2013 in Siam Reap in Kambodscha kennengelernt. Von Pattaya aus ging es zuerst nach Bangkok und Ayuthaya, dann nach Krabi und von dort nach Chiang Mai. Nach ein paar Tagen in dieser größten Stadt im nördlichen Thailand fuhren wir ins Backpackerstädtchen Pai, von dort aus ins Kloster Wat Pu Tam Wua Forest Retreat, wo wir vier Tage am dauerhaften Retreatprogramm teilnahmen. Dann ging es via Pai wieder zurück nach Chiang Mai.

Auf unserer Reise haben wir zahlreiche buddhistische Tempel besucht, überall wo wir waren, insbesondere aber in Chiang Mai, wo es mit Sicherheit genau so viele, wenn nicht sogar noch mehr Tempel und Klöster gibt als in Kyoto. Ratri wurde nicht müde, mir neue Tempel vorzuschlagen, von denen ich viele auch noch nicht kannte, obwohl ich zuvor schon drei Mal in Chiang Mai war. Ich gewöhnte mir auch schnell die hier üblichen kurzen Andachtsformen für den persönlichen kurzen Tempel-Besuch an: Gegen eine kleine Spende erwirbt man üblicherweise ein Bündel mit Blume, Kerze und drei Räucherstäbchen, man betritt die Tempelhalle ohne Schuhe, geht langsam zum ausgelegten Teppich und bewegt sich auf diesem auf Knien in Richtung Altar, wo man dann in der Hocke Platz nimmt und aus dieser Position heraus drei Niederwerfungen macht [Hocke bis Boden und zurück]. Mit zusammengelegten Händen verrichtet man dann leise oder auch lautlos seine Gebete, wobei ich natürlich nicht weiß, was die Thais so beten. Bei mir beginnt das meist mit einer Ehrerbietung und / oder mit der Dreifachen Zufluchtnahme. Dann kommt ein kurzes Sutra aus der Zen- bzw. Tendai-Tradition [unsere Shinshu-Texte aus dem Andachtsbuch sind etwas lang], ein, zwei Sätze aus dem Tannisho, die ich auswendig kenne, oder einfach zehn Nenbutsu. Mit drei Niederwerfungen schließt man ab und dann legt man entweder das Bündel auf den Altar oder, wenn Kerzenständer und Räucherschale schon in Betrieb sind, dann legt man nur die Blume ab, entzündet später Kerze und Räucherstäbchen vor der Halle und opfert die dort separat.

Während des Klosteraufenthalts im Wat Pu Tam Wua wurden zu diesem Prozedere, insbesondere zu den Niederwerfungen auch einige Erklärungen gegeben, auch dazu, dass bei allen Verrichtungen Achtsamkeit geübt werden sollte. Besonderer Augenmerk wurde da auch auf die Essensspenden gelegt, die man als gläubiger Laien-Buddhist in Thailand frühmorgens und gegebenfalls erneut kurz vor Mittag den Bhikkhus (vollordinierten Mönchen), Novizen und Maechi (thailändische Acht-Gelübde-Nonnen) zukommen lässt.

Das wurde auch im Kloster geübt: die durchschnittlich 120 vor allem ausländischen Retreat-Teilnehmer spendeten den zehn bis fünfzehn Bhikkhus und nicht nur hierbei wurde strikt auf Geschlechtertrennung und Rangordnung Wert gelegt: Zuerst Bhikkhus, dann Novizen, dann Männer, dann Maechi, dann Frauen – das war die festgelegte Rangfolge. Insbesondere einige Travelerinnen aus dem Westen taten sich etwas schwer mit dieser Ordnung und anhand der Fragen, die sie stellten, merkte man, dass ihnen das eigentlich gegen den Strich ging. Immerhin fügten sie sich trotzdem in den Klosteralltag ein. Bei anderen Aspekten funktionierte das nicht ganz so gut. So kam es vor, dass einige Retreat-Teilnehmer sich während der Meditation in der Dharma-Hall hinter Säulen positionierten, um während der Sitzmeditation zu lesen, zu schreiben oder mit dem Smartphone zu daddeln. Die Bhikkhus saßen vorn auf dem Podest und bekamen das nicht mit. Eine chinesische Teilnehmerin hatte irgendwann vergessen, ihre Ohrstöpsel leiser zu stellen, und so hörten wir dann für zehn Minuten während der ansonsten stillen Meditation einen chinesischen Podcast, der sogar mit recht lauter Musik untermalt war. Für mich fraglich, warum man sich einen recht spartanischen Klosteraufenthalt mit nur zwei Mahlzeiten täglich und teilweise Sammelunterkünften antut, wenn man sowieso nicht wirklich „hier“ ist, sondern (gedanklich) ganz woanders? 

In den Dharma-Talks strichen die Bhikkhus insbesondere auch bei den Frage-und-Antwort-Runden heraus, dass es auf dem Buddha-Weg zwei völlig unterschiedliche Herangehensweise gäbe: Beim monastische Weg ist „Glück“ das Erwachen und die letztendliche Erleuchtung. Sie kann in diesem Leben erreicht werden, indem man das Vinaya einhält, eine Meditationspraxis aufrecht erhält und die Pali-Texte studiert. Auf dem Laien-Weg drückt sich „Glück“ in materiellem Wohlstand, (vorübergehender) Befriedigung und der Aussicht auf ein gutes künftiges Leben aus. Um das aufzubauen, werden ein rechtschaffenes Leben mit gelegentlichen buddhistischen Übungen, verdienstvollen Taten und Unterstützung der Ordinierten-Sangha empfohlen. 

Gerade diese Sichtweise und Unterscheidung hat der Mahayana, und insbesondere natürlich der Shin-Buddhismus, schon früh aufzuweichen versucht. Auch einigen Retreat-Teilnehmenden war anzumerken, dass diese Unterscheidung, diese strikte Trennung zwischen „Ordinierten und Laien“, für sie eigentlich unbefriedigend ist. Auch die Antworten auf die Frage, ob Frauen denn auch „Bhikkhu“ werden, und damit auch vorne auf dem Podest sitzen und Erleuchtung erlangen könnten, war natürlich für westliche emanzipierte junge Frauen schwer zu verdauen. Im Kloster gerieten traditionelle Theravada- und thailändisch-kulturelle Aspekte auf der einen Seite und westliche Vorstellungen von Freiheit, Individualität und Gleichheit auf der anderen, häufig aneinander, doch zum Glück artete nichts aus, alles wurde insbesondere innerlich ausgefochten bzw. „aus dem Kloster mit hinaus genommen“. In Chiang Mai hatte ich Ende 2016 schon einen zweitägigen Crash-Kurs gemacht und wusste somit, was mich erwartete – dass man sich im Kloster zurücknehmen muss, war für mich klar. Für mich war eher das Zurücknehmen meiner zen- und shinbuddhistischen Mahayana-Identität eine Herausforderung, denn auf viele der Fragen der anderen Teilnehmenden an die Bhikkhus gab es aus meiner Sicht tatsächlich Antworten aus den Mahayana-Traditionen, die diesen eher zugesagt und sie versöhnlich gestimmt hätten. Aber gerade hier war es nicht meine Aufgabe, ungefragt den Abweichler, den Spalter und Besserwisser zu machen, und so war dann auch für mich Zurückhaltung das Gebot der Stunde.

Anders sah es da in den Monk-Chats in Chiang Mai aus, wo man sich in manchen Klöstern zu bestimmten Tageszeiten mit jungen Novizen und Bhikkhus treffen und austauschen kann. Da konnte man sich dann als ordinierter Mahayana-Buddhist japanischer Tradition outen und sich über Unterschiede und Gemeinsamkeiten austauschen. Hierbei durfte ich dann auch feststellen, dass  es neben den traditionellen Theravada-Bhikkhus der thailändischen Tradition auch solche gibt, die in Deutschland anhand ihrer Einstellung eher dem Säkularen Buddhismus zugerechnet worden wären.

Insgesamt schon eine sehr spannende Zeit in Thailand, die Ende Februar, mit einem Flug nach Danang in Vietnam, aber noch nicht abgeschlossen war.

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